Virtuelle Teamübung 2: Zusammenarbeitsnorm
Wir gehen in die nächste Runde unserer Reihe „Motivation und Zusammenhalt in unsicheren Zeiten“. Die aktuelle Sondersituation aufgrund der starken Ausbreitung des Corona-Virus stellt Organisationen und Teams vor große Herausforderungen: Wie können sie unter starkem Druck die plötzliche Zusammenarbeit auf Distanz meistern? Mithilfe unseres 5-Felder-Modells haben wir fünf wichtige Faktoren und passende Teamübungen definiert, die euer Team in der jetzigen Notsituation schnell remote effektiv machen. Nach dem ersten Teil zu Motivation gehen wir nun den zweiten Faktor an: Zusammenarbeitsnorm.
Warum eine verteilte Zusammenarbeit Regeln braucht
Nach den ersten Tagen im verteilten Home Office merken Teammitglieder zunehmend, welche Automatismen und Gewohnheiten im Büroalltag entstanden sind, um einen reibungslosen Ablauf des Teams sicherzustellen. Das physische Planungsboard, um beispielsweise die ToDo’s des nächsten Sprints zu organisieren. Der regelmäßige Austausch an der Kaffeemaschine oder beim Mittagessen, um die vielen kleinen Informationen „zwischendurch“ zu erfahren. Die vielen Aufgaben, die schnell „über den Tisch geworfen wurden“.
All diese Möglichkeiten der Zusammenarbeit werden einem Team durch das plötzliche Home Office genommen. Erst jetzt, durch die Kollaboration auf Distanz, wird einem klarer, welcher Austausch tatsächlich strukturiert war und welcher unbewusst nebenbei passiert ist. Im Team sollte man sich deshalb folgende Fragen stellen: Wie können wir diese Strukturen in einer neuen Umgebung aufbauen? Welcher Kanal ersetzt nun das zufällige Treffen an der Kaffeemaschine? Wen kann ich wann über welchen Kanal am besten erreichen?
Gerade in einer Situation, in der ein Team plötzlich aus der gewohnten Umgebungen gerissen wird, ist es elementar, Regeln zeitnah und klar gemeinsam zu definieren. Denn sonst besteht das große Risiko, dass die Unsicherheit bei einzelnen Teammitglieder steigt: Muss ich den ganzen Tag und überall erreichbar sein? Wird meine Arbeitsleistung jetzt transparent und wertgeschätzt, wenn ich nicht im Büro bin? Viele dieser Befürchtungen können direkt im Team geklärt und genommen werden.
Die gemeinsame Diskussion und die Partizipation aller bei der Definition der Regeln geben einen Handlungsrahmen und bauen somit eine psychologisch sichere Arbeitsumgebung auf.
Dieses Umfeld ist von enormer Bedeutung, um das Vertrauen über die Distanz aufrecht zu halten. Darüber hinaus, wollen wir an dieser Stelle verdeutlichen, dass eine Zusammenarbeitsnorm für Teams grundsätzlich aufgestellt werden sollte – unabhängig davon, ob das gesamte Team im gleichen Büro sitzt, oder ob es verteilt bzw. „hybrid“ arbeitet. Die aktuellen „Home Office“-Bedingungen aufgrund von Corona führen an vielen Orten dazu, dass Teams diesen Aspekt nachholen müssen: Viele gegebene Strukturen fallen von heute auf morgen weg und dadurch spüren Teams nun deutlich, dass ihnen die definierte Basis in der Zusammenarbeit und Kommunikation gefehlt hat – sie brauchen eine Zusammenarbeitsnorm.
Teamübung zur Zusammenarbeitsnorm für virtuelle Teams
In der aktuellen Corona-Situation möchten wir nun eine Anleitung zur Verfügung zu stellen, die einerseits gut von verteilten Teams durchgeführt werden kann und sich andererseits auf die Aspekte eines Remote-Teams fokussiert (Wenn ihr konkrete Ansätze und weitere Beispiele sucht, die sich auf den Einsatz im Büro beziehen, schreibt uns gern eine Nachricht).
Was ist eine Zusammenarbeitsnorm?
Bevor wir tiefer einsteigen, möchten wir zunächst die Frage beantworten: Was ist eine Zusammenarbeitsnorm? Bei unserer Arbeit mit Organisationen entwickeln wir mit Teams auf Basis des Berg & Macher 5-Felder-Modells eine Teamnorm. Die Zusammenarbeitsnorm ist ein großer Bestandteil davon und darunter verstehen wir die Sammlung und gemeinsame Definition von Regeln und gewünschten Verhalten für die direkte Interaktion im Team. Welche Aspekte wir für virtuelle Teams als relevant sehen und empfehlen, in die gemeinsame Norm aufzunehmen, seht ihr in der „Schritt-für-Schritt“-Anleitung im nächsten Absatz.
Um uns dem Aufstellen der Norm zu nähern, bedienen wir uns dem Teamkompetenzfeld „Struktur & Klarheit“ aus dem 5-Felder-Modell von Berg & Macher. Denn eines zeigt die Entwicklung zu New Work bereits heute:
Neue Arbeit braucht klare Regeln. Agilität und Selbstorganisation bedeutet nicht, dass jede Person das macht, was sie möchte. Ganz im Gegenteil: Teams erarbeiten über einen langen Zeitraum neue Strukturen als Basis für die selbstorganisierte Arbeit.
Unser 5-Felder-Modell berücksichtigt genau diesen Aspekt, weswegen wir früh mit Teams beginnen, gegenseitige Erwartungen transparent aufzustellen (wie z.B. auch in unserer „Strategie & Ziele Werkstatt“).
In der Teamübung zur Zusammenarbeitsnorm geht es nun vor allem darum, dass ihr als Team in den Austausch zu den relevanten Themen kommt und eine passende Definition findet, die für jeden im Team nachvollziehbar ist und gegen die es keine schwerwiegenden Widerstände gibt. Gerade jetzt in einer besonderen Zeit durch Corona ist es sinnvoll, sich auf die Aspekte zu einigen, die in der aktuellen Situation sehr relevant sind. Unsere Empfehlung: Fokussiert euch auf die Aspekte, für die für die virtuelle Zusammenarbeit als Remote-Team relevant sind und nähert euch dem Aufstellen der Regeln mit einem „Agile Mindset“ (Mehr Inspiration dazu liefert unser „Impuls Neue Arbeit & Agilität“):
Is it good enough for now? Is it safe enough to try?
Durchführung der Teamübung
Für unsere Teamübung haben wir uns für die verständliche und gut umsetzbare Methode „Start-Stop-Continue“ entschieden. Dieses Verfahren hat den Vorteil, in einem möglichst kurzen Rahmen die brennendsten Wünsche und Befürchtungen des Teams transparent zu machen. Erfahrungsgemäß fällt Teams in dem Prozess oft auf, dass alle Teammitglieder zu einem großen Teil die gleichen Ansichten haben. Das stärkt einerseits das Zusammengehörigkeitsgefühl und andererseits bietet die Methoden dennoch die Möglichkeit, die Kreativität jedes Einzelnen auszuschöpfen, sodass sich oft spannende und nützliche Ideen entwickeln.
Mit unserer virtuellen Teamübung geht ihr somit einen großen ersten Schritt und werdet dann als Team merken, wo ihr noch weiter ansetzen und ggf. optimieren müsst. In erster Linie sind es vorerst 60 gut investierte Minuten, um danach für jedes einzelnes Teammitglied eine psychologisch sichere Umgebung zu haben, damit ihr als Team effektiv im Home Office durchstarten könnt.
- Vorbereitung: In unserem ersten Artikel aus dieser Reihe zum Thema „Motivation“ hatten wir bereits Informationen zur Vorbereitung geschrieben, die ihr auch als Basis für diese Übung nehmen könnt: Zum Artikel. Zusätzlich wird für diese Übung eine gemeinsame Arbeitsgrundlage oder ein Dokument mit drei einzeln definierten Feldern für „Start“, „Stop“ und „Continue“ benötigt. Idealerweise arbeitet ihr direkt in einem digitalen Whiteboard (z.B. Mural). Alternativ gibt es einen Moderator, der die Felder an seinem Bildschirm füllt und seinen Bildschirm mit den anderen Teammitgliedern teilt. An dieser Stelle weisen wir gerne darauf hin, dass wir als Berg & Macher bereits über Lizenzen und Templates verfügen, um unsere virtuellen Teamübungen durchzuführen – meldet euch als gern, wenn wir euch unterstützen können. Wir freuen uns auf eure Nachricht.
- Start (5min): Wie auch bei der letzten Übung ist es wichtig, dass ihr euch als Team einig seid, was das Ziel des virtuellen Workshops ist. Dazu kann es auch helfen, wenn ihr im Vorfeld zum Workshop diesen Artikel hier im Team verteilt – damit sind alle auf dem gleichen Stand und ihr könnt ggf. noch Unklarheiten im Team klären. Das Ziel dieses Mini-Workshops ist es, zuerst anhand der „Start-Stop-Continue“-Methode die relevanten Bereiche der Zusammenarbeitsnorm zu identifizieren: Teammitglieder reflektieren über die Kollaboration auf Distanz und schreiben die Punkte auf, die man einführen könnte, um die aktuelle Zusammenarbeit zu verbessern (Start), welche Routinen bzw. welches Verhalten nicht erwünscht ist (Stop) und was gut funktioniert und genau so weitergeführt werden sollten (Continue). Die Themenschwerpunkte unter Punkt 3 liefern zudem Inspiration, in welchen Bereichen man über die Zusammenarbeit reflektieren kann. Zusatz-Tipp: Um den Mini-Workshop so effektiv wie möglich durchzuführen, bittet ihr die Teilnehmer am besten schon im Vorfeld Ideen zu „Punkt 3 – Reflexion“ zu sammeln – dann bekommt ihr sehr valide Inhalte und bessere Ergebnisse.
- Reflexion (5min): Jedes Teammitglied reflektiert für fünf Minuten über die aktuelle Zusammenarbeit auf Distanz und schreibt entsprechend Ideen auf, die den Feldern „Start“, „Stop“ und „Continue“ zugeordnet werden können. Die folgenden Bereiche haben sich als relevante Themenbereiche zur Reflexion bewiesen (Darüber hinaus gibt es noch weitere Themen, die dann eher die physische Zusammenarbeit betreffen oder in den Gesamtbereich Teamnorm fallen, und deswegen an dieser Stelle vorerst weggelassen werden):
- Arbeitszeiten: Gibt es definierte Zeiten (am Tag oder in der Woche), an dem jedes Teammitglied erreichbar ist? Wo melde ich Abwesenheiten an?
- Kommunikationsroutinen: Wie oft (täglich, wöchentlich, monatlich) spricht wer mit wem (1:1 oder alle im Team?) über welche Themen (Aufgaben, Roadmap, Strategie, Hürden, etc.)
- Meetingkultur: Welche Informationen benötigen wir vor einem Meeting und wie führen wir Meetings digital zu? (Einladung, Agenda, Vorbereitung, Timing, Moderation, Ergebnisse festhalten, etc.)
- Kanäle: Welche Team-Kanäle stehen uns zur Verfügung (Email, Chat, Video, Telefon, …) und v.a. welche nutze ich für welche Art der Kommunikation: die Info zum nächsten Teammeeting an alle kann per Kalendereinladung erfolgen (asynchrone Kommunikation per Email). Dagegen sollte eine Eskalation oder ein emotionales Feedback eher synchron erfolgen (auf jeden Fall persönlich, z.B. per Telefon und im Idealfall mit Video).
- Gemeinsamer Workspace: Welche Daten und Informationen legen wir wo ab? Haben alle Zugang?
- Rückmeldungen: Im Büro gibt es häufiger Zwischenrufe, wie „Danke übrigens für die Präsentation“ oder „Super Email an den Kunden“. In der verteilten Arbeit fallen diese oft weg. Wie geben wir uns als Team also die passenden Rückmeldungen? Wie machen wir klar, dass wir eine Nachricht und den damit verbunden Aufrage erhalten haben? Tipp: sehr gut kann man hier die „Daumen hoch“, Smiley-Reaktionen oder gif-Animationen in Kommunikationstools wie Microsoft Teams oder Slack nutzen – diese haben zusätzlich noch einen emotionalen Effekt.
- Rituale: Oft helfen Teams ein definierter „virtueller Kaffeklatsch“ – bitte beachtet und respektiert an dieser Stelle unterschiedliche Interessen: während junge Menschen, die ggf. alleine wohnen und sich in der Home Office Zeit über einen Austausch zwischendurch freuen, möchte eine Mutter oder ein Vater das Mittagessen lieber mit der Familie verbringen. Im letztern Fall hat es sich als hilfreich erwiesen, die Rituale mit einem konkreten Hintergrund zu verbinden, z.B. ein virtueller Kaffee zu zweit, um sich Feedback zu geben.
- Sammlung & Strukturierung (30min): Die Ideen der Teammitglieder werden gesammelt und zusammengeführt. Dabei werden identische und ähnliche Aspekte zusammengelegt und idealerweise können daraus Cluster gebildet werden.
- Diskussion (15min): Diskutiert im Team, ob es Ideen oder Vorschläge gibt, die zu größeren Widerständen führen. Besprecht diese Aspekte offen im Team – oft wird durch eine Erklärung klarer, was gemeint war und erfahrungsgemäß wird viel häufiger offensichtlich, dass Teammitglieder die gleichen Ansichten haben.
- Abschluss (5min): Glückwunsch – ihr habt die wichtigsten Aspekte definiert, die für eure Zusammenarbeitsnorm für die virtuelle Kollaboration relevant sind! Am besten wählt ihr direkt einen „Master für die Zusammenarbeitsnorm“, der die Cluster ausformuliert und so die Norm für das Team erstellt. Idealerweise vereinbart ihr zum Abschluss direkt einen Folgetermin für die nächste Woche, in der die Norm vorgestellt wird. Im Anschluss ist es wichtig, auch nach ca. 2-4 Wochen erneut auf die Norm zu blicken: Haben wir die Punkte klar definiert und funktionieren sie so, wie gewünscht? Was müssen wir anpassen oder ergänzen? Dazu eignet sich auch unsere Macher-Team Retrospektive, die ihr mit Hilfe unseres passenden Berg & Macher Posters durchführen könnt. Alternativ moderieren wir sie für euch als erfahrene Team Facilitators – onsite, offsite oder virtuell: Fragt uns einfach an!
Abschließend noch ein wichtiger Tipp: Gerade für die Definition von Normen – sei es die Zusammenarbeitsnorm für virtuelle Teams oder die grundsätzliche Teamnorm – ist es ratsam auf einen externen Moderator zurückzugreifen, wenn ihr ein stabiles und andauerndes Gerüst für euer Team aufbauen möchtet. Durch die Moderation wird zudem die Neutralität sichergestellt und es können sich alle Teammitglieder gleichermaßen mit einbringen. Darüber hinaus profitiert ihr bei der Vorbereitung und Durchführung von der Erfahrung unserer Team Facilitators und diese können euch bei Fragen oder Unsicherheiten auch mit Tipps, Zugangsfragen und Best Practices versorgen. Wenn ihr unserer Empfehlung folgen möchtet und wir euch bei eurem (virtuellen) Workshop unterstützen dürfen, sagt uns gern Bescheid: Wir freuen uns auf eure Anfrage!
P.S. Die inspirierenden Visualisierung sind von Kim – über unsere Visualsierungswerkzeuge könnt auch ihr lernen, Inhalte zur Neuen Arbeit zu visualisieren.
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