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Tipps für mentale Gesundheit aus der Brille der agilen Organisationsentwicklung

Die Sensibilität in Unternehmen für psychische Gesundheit ist mit dem Trend rund um das Thema New Work stark gestiegen — und das völlig zurecht. Mentale Gesundheit bildet die Grundlage für Wohlbefinden, Motivation und das Gefühl der Selbstwirksamkeit. Doch dieses Fundament bröckelt: Über alle Altersgruppen hinweg sind psychische Erkrankungen immer häufiger Grund für Fehlzeiten. Klar ist: Um eine wertschätzende und motivierende Arbeitsumgebung zu schaffen, muss das Thema psychische Gesundheit nicht nur auf individueller Ebene, sondern auch kulturell und strukturell angegangen werden. Wie das funktionieren kann, haben wir bei Benthe Untiedt, Mitgeschäftsführerin von SHITSHOWAgentur für psychische Gesundheit, nachgefragt.

Inhalt:

Fakten zu Mental Health
New Work meets New Health?

Interview mit Benthe Untiedt, Mitgeschäftsführerin von SHITSHOW – Agentur für psychische Gesundheit:

Fazit: Ist nun New Work = New Health?

Fakten zu Mental Health

In einer sich stetig beschleunigenden Arbeitswelt, die immer mehr verlangt, sind unsere emotionalen und kognitiven Ressourcen besonders gefordert – und auch immer häufiger erschöpft. Dass es sich dabei nicht nur um eine gefühlte Wahrheit handelt, zeigen Zahlen wie diese:

In Summe betragen die volkswirtschaftlichen Kosten durch psychische Erkrankungen allein in Deutschland 17,2 Milliarden Euro. Die Produktionsausfälle beliefen sich auf 118 Milliarden Euro (Stand 2022). Dieses Problem erkennen mehr und mehr Unternehmen und machen sich auf die Suche nach Lösungen. Welche Stellschrauben gibt es aus Perspektive der Organisationsentwicklung? Und wie können wir strukturelle und kulturelle Veränderungen in der Arbeitswelt anstoßen?

New Work meets New Health?

Menschen möchten sich in der Arbeit entfalten und ihre Potentiale ausleben. „Arbeit soll das sein, was den Menschen stärkt“ – so Frithjof Bergmann, Gründer des Konzepts New Work.

💡 Wenn ihr mehr zur Entwicklung von New Work, dem Ansatz selbst und den Handlungsfeldern erfahren möchtet, schaut gerne hier vorbei. Lasst uns jetzt die Wirkungsbeziehung zwischen New Work und mentaler Gesundheit genauer anschauen.

Eines soll bei New Work im Mittelpunkt stehen: Der Mensch als Individuum mit seinen persönlichen Stärken. Deshalb machen es sich New Work-Ansätze zum Ziel, die individuellen Handlungs- und Entscheidungsspielräume der arbeitenden Menschen zu erhöhen – um damit auch zu einem größeren Mitspracherecht und Selbstwirksamkeitserleben beizutragen. Selbstwirksamkeits- und Kontrollerleben sind zentrale Schlüssel für mentale Gesundheit.

Doch Eigenverantwortung und Selbstorganisation – Aspekte, die für New Work so handlungsleitend sind – wirken sich nicht zwangsläufig immer nur positiv auf die Psyche aus. Gefahren, die damit einhergehen können, lassen sich vereinfacht als die drei ‘Übers’ beschreiben: Überidentifikation, Übermotivation und Überarbeitung sind die Schattenseiten von deregulierten Arbeitsumfeldern. Wie finden wir die richtige Balance? Wir haben bei Benthe, Beraterin und Expertin für Mental Health am Arbeitsplatz, nachgefragt.

Benthe du bist Mitgeschäftsführerin von und Beraterin bei SHITSHOW in Berlin. Magst du uns einmal erzählen, wer du bist und was ihr macht?

Sehr gern! Ich bin Benthe Untiedt, Diplom-Psychologin und ausgebildete systemische Beraterin bei SHITSHOW, Beratungsagentur, Think Tank und Expert*innennetzwerk für mentale Gesundheit am Arbeitsplatz. Wir beraten und begleiten Unternehmen auf ihrem Weg zu psychisch gesünderen Arbeitsmodi und -strukturen. Dafür analysieren wir ihren Status Quo, begleiten sie in Change Prozessen, entwickeln Maßnahmen und setzen diese um. Ich selbst berate Teams, Führungskräfte und HR und navigiere Organisationen in Change Prozessen hin zu gesünderen Werten und Kulturen.

New-Work-Offensiven ohne das Thema Mental Health sind nicht mehr denkbar. Trotzdem zeigen die aktuellen Zahlen, dass die psychische Belastung von Arbeitnehmer:innen weiter steigt. Wird das Thema Mental Health falsch angegangen?

Das ist wahr – und die Ursachen dafür sind vielfältig. Expert:innen gehen davon aus, dass auch die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen gesamtgesellschaftlich zu höheren Diagnosezahlen geführt hat – Menschen trauen sich nun mehr, vor Ärzt:innen über ihre psychischen Beschwerden zu sprechen, anstelle sie hinter körperlichen Beschwerden zu ‘verstecken’.

Aber es lässt sich auch nicht leugnen, dass uns die Anforderungen der neuen Arbeitswelt auf die Psyche schlagen: Arbeit verdichtet und beschleunigt sich, durch digitale Kommunikation nimmt die Bearbeitsungsgeschwindigkeit weiter zu, unserer Kommunikation und Erreichbarkeit sind kaum noch Grenzen gesetzt, privates und berufliches Leben verschwimmen zunehmend.

Wir freuen uns, dass psychische Gesundheit in den letzten Jahren auch in der Arbeitswelt immer mehr Aufmerksamkeit erhält. Trotzdem gibt es noch viel zu tun. Zum einen klebt das Stigma noch hartnäckig an bestimmten psychischen Erkrankungen – während wir über Burnout, Depression und Angst zum Beispiel mittlerweile relativ offen sprechen können, sind bspw. Suchterkrankungen und Schizophrenien weiterhin stark stigmatisiert.

In Bezug auf die Reduktion von Überlastung sehen wir, dass Unternehmen bei ihren Maßnahmen häufig die Individualebene in den Blick nehmen. Dann werden Anti-Stress-Kurse, großzügige Urlaubsregelungen oder externe EAP-Anbieter ins Benefit-Portfolio aufgenommen. Das ist eine tolle Sache und unterstützt Mitarbeitende definitiv in der Stressbewältigung. Für nachhaltig wirksame Veränderung müssen solche individuellen Unterstützungsangebote aber auch mit strukturellen und kulturellen Veränderungen kombiniert werden. Der Anti-Stresskurs in der Mittagspause bringt mir nichts, wenn ich keine Zeit habe, ihn wahrzunehmen. Mentale Gesundheit auf Individualebene erfordert also einen strukturellen Rahmen auf Organisationsebene.

Deshalb ist es wichtig, dass sich New Work-Offensiven nicht nur in oberflächlichen Benefits erschöpfen, sondern psychische Gesundheit ganzheitlich gefördert wird: Auf Teamebene, auf Ebene der Prozesse und Policies, auf der Führungsebene und auf Ebene der Unternehmenskultur.


„Mentale Gesundheit auf Individualebene erfordert einen strukturellen Rahmen auf Organisationsebe
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Was würdet ihr denn sagen ist der Hebel für mentale Gesundheit auf der Arbeit?

Einen einzigen rauszugreifen ist schwierig, wenn wir aber einen wählen sollen, der sich auch in Studien als sehr bedeutsam herausgestellt hat, dann ist es die Unternehmenskultur. Die gemeinsamen Werte und Annahmen einer Organisation haben einen oft unterschätzten Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden derjenigen, die innerhalb der Organisation zusammenarbeiten. In Organisationen, die von hohem Arbeitsdruck und anhaltendem negativen Stress geprägt sind, leidet die mentale Gesundheit der Mitarbeiter:innen. Die Folge ist, dass die Gesundheitskosten erheblich steigen – im Vergleich zu Organisationen, deren Kultur auf die Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden ausgerichtet ist, zahlen Unternehmen mit ‘High Stress Kulturen’ einen viel höheren Preis.

In Organisationen, in denen eine solche Kultur herrscht, nutzen auch die besten Benefits und Gesundheitsleistungen nichts. Es zeigt sich immer wieder, dass betroffene Mitarbeitende diese Angebote in entsprechenden Organisationskulturen nicht nutzen, weil Schamgefühl, Stigmatisierung und fehlende Zeit sie davon abhalten.


I
n einer Kultur, in der es ‘nicht ok ist, nicht ok zu sein’, trauen sich Mitarbeitende nicht, frühzeitig nach Unterstützung zu fragen, eigene Grenzen aufzuzeigen und um Entlastung zu bitten.

Eine positive, unterstützende Unternehmenskultur, die von psychologischer Sicherheit geprägt ist, wirkt sich dagegen auf die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden der Teams aus. Daher ist es lohnenswert, den Überschneidungen von mentaler Gesundheit und Unternehmenskultur besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Und genau hier macht es natürlich Sinn, über Organisationsentwicklung zu sprechen – ein Feld, in dem wir Kund:innen glücklicherweise auch zunehmend unterstützen.

Hast du für uns ein Beispiel, wie ihr bei SHITSHOW konkret vorgeht, um in Unternehmen eine Kultur zu schaffen, die nicht nur psychische Gesundheit unterstützt, sondern auch aktiv fördert?

Wir wissen, dass jede Organisation ihre eigenen, maßgeschneiderten Ansätze benötigt, um die Unternehmenskultur positiv zu transformieren. Daher beginnen wir zunächst damit, ein tiefgreifendes Verständnis für die aktuellen Herausforderungen zu schaffen, vor denen das Unternehmen steht – und die Führungsebene für eventuell kritische gelebte Werte oder Vorgehensweisen zu sensibilisieren. Neben der Führungsebene ist es auch wichtig, die Teams mit ins Boot zu holen. In Workshops entwickeln wir mit ihnen ein geteiltes Verständnis dafür, wie die Zusammenarbeit gestaltet werden soll. Das können Fragen sein wie z.B.:

  • Was ist unsere Kernarbeitszeit?
  • Welche Kommunikationsmittel nutzen wir für welchen Anlass?
  • Wie oft machen wir Pausen? Könnten wir uns ggf. sogar gemeinsam verpflichten, regelmäßig Pausen zu machen?
  • Was ist für jedes Teammitglied wichtig, damit es sich wohl fühlt und produktiv arbeiten kann?
  • Auf welche Art und Weise wollen wir miteinander sprechen?

Die Arbeit auf Teamebene ist ein Hebel, um Arbeit stressärmer und gesünder zu gestalten. Damit sich alle Mitarbeitenden psychologisch sicher fühlen, ihre Grenzen kommunizieren und Unterstützung suchen können, wenn sie diese benötigen, braucht es in hierarchisch organisierten Unternehmen zusätzlich auch definitiv eine Priorisierung von mentaler Gesundheit auf der Führungsebene. Unser systemisch-integraler Beratungsansatz erlaubt es uns, alle Ebenen in den Blick zu nehmen.

Fazit: Ist nun New Work = New Health?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir New Work und Mental Health gemeinsam betrachten. Statt nur oberflächliche Veränderungen wie „großzügigere Urlaubsregelungen“ braucht es einen Blick auf die tieferen Strukturen der Unternehmenskultur. Warum? Weil nur so die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden wirklich positiv beeinflusst werden kann. Wenn wir New Work nicht nur als schickes Büro oder flexible Arbeitszeiten verstehen, sondern auch strukturelle Veränderungen in Betracht ziehen, können wir von New Work zu New Health kommen – und einem neuen Verständnis von Gesundheit im Arbeitsumfeld.

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Warum Unternehmenskultur so wichtig ist - Kontakt Jonas Schneider